Sich in eine winzige Umkleidekabine zwängen zu müssen, das gibt es bei "allet rund" nicht, hier ist die Kabine, besser das Umkleidezimmer 25 qm groß!
Obwohl die Mehrzahl der - ausgewachsenen, womöglich schon mit einer gesegneten Schwangerschaft strapazierten Frauen, Kleidergrößen jenseits der 36 tragen, ist es anscheinend für die Modemacher keine besondere Herausforderung gepaart mit einem Hang zum Sadismus (darunter haben vor allem die Modells zu leiden) - für die Mehrzahl der fraulich oder üppig geformten Kurven, Mode mit Esprit und Schick zu entwerfen.
Selbst eine Ulla Poppen, eine der bekannteren Labels für große Größen, propagiert einen eher langweiligen Konservatismus, so Joachim Semrau, der Inhaber von "allet rund". So fühlt sich Joachim Semrau geradezu herausgefordert den Frauen mit Rundungen eine abwechslungsreiche und auch noch bezahlbare Mode zeigen und sie damit ankleiden zu können. Und was ihm ganz am Herzen liegt, ist eine gute Beratung, denn hier wird nicht verkleidet sondern angekleidet, mit dem was auch zum Menschen passt und dafür hat er einen Blick - schon immer, weiß er sich zu erinnern.
Das Berliner Modelabel ´Leibwerk´ nahm Semraus Idee attraktive Mode für große Größen zu kreieren, begeistert auf. Doch Semraus Blick fürs Schicke macht nicht nur vor der Mode halt, auch die Einrichtung zeugt davon, mit einem Hauch von Extravaganz - allerdings, nur auf den zweiten Blick erkennbar, alles hausgemacht, es stand nur ein geringes Budget zu Verfügung.
Dieses Wissen, dass hier jemand mit viel Idealismus ans Werke gegangen ist, das fehlte anscheinend einigen Nachbarn oder selbsternannten Rächern der Armen, denn wenige Tag nach der Eröffnung wurde Joachim Semrau als Yuppie gebrandmarkt! Und sogar Eier flogen gegen die Schaufenster und das nicht nur einmal.
Dass "allet rund" so provokant auf manche wirken kann, ist schon verwunderlich aber vielleicht lag es auch nur an der Schokolade!
Denn Joachim Semrau verkauft auch Schokolade - eben in Handarbeit hergestellt, nicht von ihm, sondern von "Lina Krokant" aus Wilmersdorf. Schokolade als kulinarisches Kunstwerk, die provoziert, wenn der Tafelpreis bei knapp fünf Euro liegt. Das mag schon bei vielen Kreuzbergern in dieser Ecke Kopfschütteln hervorrufen - nur ist es so, die Schokolade läuft, nicht gerade wie warme Semmeln aber selbst Joachim Semrau ist darüber sehr überrascht.
Joachim Semrau ließ die Willkommensgrüße nicht unbeantwortet und verfasste einen Kommentar, den er neben dem Yuppie-Schriftzug aushing. Dass er eben ein Existenzgründer sei und ob denn die Leute anstatt ihn ein weiteres Wettbüro oder einen Laden einer Handelskette hier haben wollten?
Einige Nachbarn aus der Straße kamen zu ihm rein und fanden seine Stellungnahme richtig und gut, und entschuldigten sich fast schon für den Aktionismus der selbsternannten "Rächer der Armen".